Die Abfüllanlage AwSV bei Starkniederschlag
In den letzten Jahren ist eine Häufung von Starkniederschlagsereignissen zu beobachten. Es stellt sich daher die Frage, wie damit beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen umzugehen ist, insbesondere bei der Bemessung des erforderlichen Rückhaltevolumens der Abfüllanlage AwSV bei Starkniederschlag, d.h. den baulichen Anlagen, die bei der Befüllung von Chemikalientanks in einem Industriebetrieb mit einem Tankfahrzeug erforderlich sind. Der Beitrag soll beispielhaft für ein Engineering die rechtlichen Anforderungen an die AwSV Abfüllanlage zusammenfassen, insbesondere unter Anwendung des 30a-Betrachtungszeitraumes für Niederschläge. Im Ergebnis zeigt sich, dass AwSV-Abfüllanlagen ohne Überdachung (bei denen – wie in der Regel – auch eine witterungsunabhängige Befüllung vorgesehen ist) um den Faktor 1,5 zu klein sind.
Bewertung im Einzelnen:
Rechtlich relevant für die Beurteilung der Abfüllanlage AwSV bei Starkniederschlag ist zunächst die AwSV, § 1 Abs. 1 AwSV, da mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird.
Damit gelten zunächst für alle Anlagenteile der Abfüllanlage AwSV bei Starkniederschlag die grundsätzlichen Anforderungen des § 17 Abs. 1 AwSV, d.h. Beständigkeit, Dichtheit im Sinne von Flüssigkeitsundurchlässigkeit § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 786, 2.1.3, etc. für die Anlage selbst (also auch Rohrleitungen und Schläuche), Sichtbarkeit sowie die Notwendigkeit der Rückhaltung eventuell austretender wassergefährdender Stoffe, § 17 Abs. 1 Nr. 4 AwSV in Form von Rückhalteeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 16 AwSV.
Rückhalteeinrichtung Abfüllanlage
Diese Rückhalteeinrichtung an der Abfüllanlage AwSV bei Starkniederschlag ist gemäß § 18 Abs. 2 AwSV flüssigkeitsundurchlässig und abflusslos (Ausnahme Niederschlagswasser im Folgenden) auszuführen. Das erforderliche Rückhaltevolumen bemisst sich nach § 18 Abs. 1, 2, 3 Nr. 2 AwSV nach dem Volumen, „das bei größtmöglichem Volumenstrom bis zum Wirksamwerden geeigneter Sicherheitseinrichtungen freigesetzt werden kann“. Dies umfasst auch das mögliche Ausheben, sofern keine Sicherheitseinrichtung eingebaut ist, § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.1 Abs. 7. Dies ist jedoch in der Regel der Fall bzw. leicht nachrüstbar, um nicht auch noch das Volumen des/der zu befüllenden Behälter(s) auffangen zu müssen.
a. Volumen der Rückhalteeinrichtung Füllanlage
Es ist also nur die Pumpleistung des LKW zu berücksichtigen (sonst: zzgl. evtl. Rücklauf aus der Leitung inkl. Ausheben eines Behälters) sowie evtl. Niederschlagswasser.
aa. Dimensionierung der Rückhalteeinrichtung
Die Abmessungen der Rückhalteeinrichtung bemessen sich bei Abfüllanlagen i.S.d. § 2 Abs. 18 AwSV gemäß § 2 Abs. 16 AwSV i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 Nr. 2.1.11, 2.1.10 aus dem Wirkbereich inkl. Ablauf.
- Der Wirkbereich i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.5.1 i.V.m. 6.1.5.2 Abs. 1 bemisst sich grundsätzlich linear vom Anschluss des Tankwagens bis zum Anschluss des Behälters mit 2,5 m in alle Richtungen. D.h. konkret an der Schlauchleitung und dann an der Rohrleitung entlang eines Korridors von 5 m Breite.
- Der Wirkbereich kann durch Spritzschutzmaßnahmen verkleinert werden, § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 6.1.5.1 Abs. 3 (z.B. auch durch Wände, wie dies regelmäßig der Fall ist).
- Weiterhin kann die Länge des Korridors durch die Ausnahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 6.1.5.2 Abs. 2, 3. Spiegelstrich verkürzt werden: doppelwandige Rohrleitungen (mit Leckanzeigeeinrichtung nach DWA-A 779:2023, 6.3.3 i.V.m. 7.2) vom Abfüllschrank zum Lagerbehälter, wodurch sich der linienförmige Wirkbereich in einen punktförmigen Wirkbereich von 2,5 m um die Anschlüsse ändert.
- Alternativ ist auch eine Rohrleitungsausführung nach DWA-A 780-2, die für Duroplaste grundsätzlich nicht mehr gilt § 1 Abs. 2, Abs. 4 Spstr. 7 DWA-A 780-2, möglich, sofern für jede Rohrleitung mit WGK2-Stoffen eine Einzelfallbeurteilung eines „Sachverständigen für Kunststoffe“ (z.B. DVS 2213?) vorliegt und von einem Sachverständigen auf Plausibilität geprüft wurde.
– Sofern die verwendeten Schlauchleitungen des Chemielieferanten hinsichtlich Beschaffenheit, Verlegung und Betrieb der Schlauchleitungen sowie Wartung und Prüfung der T 002:2018 der BG Rohstoffe und chemische Industrie entsprechen und dies entsprechend dokumentiert ist, ist eine weitere Reduzierung des Wirkbereiches auf 0,5 m um die Schlauchleitung und 2,5 m punktförmig um die Verbindungsstelle ausreichend.
Typischerweise ergibt sich daraus – vereinfacht, aber in der Praxis üblich – eine Wanne von 13 x 5,1 m = 66,3 m², auf der der LKW vollflächig steht (sowie ggf. eine zusätzliche Wirkfläche von 13 * 2,5 = 25,5 m² in Richtung der Anschlüsse). Diese wird im Folgenden jedoch nicht berücksichtigt, da sie im Einzelfall leicht bzw. ohnehin durch Wände oder Spritzschutz begrenzt werden kann).
bb. Pumpleistung bei Befüllung
Für den Befüllvorgang der Abfüllanlage AwSV bei Starkniederschlag ist mangels Nachfolgeregelung DWA-A 785:2009, 5.1 i.V.m. 5.3.1 i.V.m. 5.3.2 heranzuziehen: Die Abfüllleistung des Tankwagens beträgt temperaturabhängig (insbesondere bei NaOH im Winter) max. ca. 8 m³/h (die tatsächliche Leistung wird i.d.R. vom Betreiber selbst ermittelt, da er die Verladezeiten durch den Chemikalienlieferanten leicht selbst erfassen kann). Die LKW sind in der Regel mit einer Totmannschaltung ausgerüstet, daher gilt 5.3.2: ta = 45 sec, unter Totmannschaltung in der Betriebsanweisung zu verwenden. Nach der Gleichung in 5.1 ist das Rückhaltevolumen R in m ³ = Volumenstrom Pumpe in m³/h * Zeit in Stunden; R = 8m³/h * (45 s bzw. 0,0125 h); R = 100 L. Somit ist allein für den Abfüllvorgang der Chemikalien bzw. wassergefährdenden Stoffe (unter Verwendung des Totmannschalters) ein Volumen von 100 l ausreichend.
Da auch geringe Spritzverluste zurückgehalten werden müssen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 AwSV), wird empfohlen, zusätzlich Chemikalienbindemittel zu verwenden, da ansonsten die Fläche nach dem Abfüllen regelmäßig gereinigt und das Reinigungswasser in der innerbetrieblichen Abwasseranlage behandelt werden muss (sofern dies in der wasserrechtlichen Indirekteinleitergenehmigung als Abwasserstrom vorgesehen und genehmigt ist).
cc. Niederschlagswasser
Hinzu kommt noch eventuell anfallendes Niederschlagswasser, sofern keine vollständige Abdeckung vorhanden ist, § 19 Abs. 7 AwSV i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.2 Abs. 6, die eigentliche Frage des Beitrags Abfüllanlage AwSV bei Starkniederschlag.
In diesem Fall sind Abläufe in Rückhalteeinrichtungen nach § 19 Abs. 1 AwSV i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i. V. m. DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.1 Abs. 5 zulässig. Der Ablauf ist für die Dauer der Befüllung zu verschließen und darf erst nach Feststellung der Kontaminationsfreiheit in die Kanalisation eingeleitet werden § 19 Abs. 7 AwSV i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.2 Abs. 7. Eventuell verunreinigtes Niederschlagswasser ist entweder extern zu entsorgen oder in der betriebseigenen Abwasseranlage zu behandeln, sofern die Abwasseranlage dafür ausgelegt ist (i.d.R.: ja) und die Behandlung des verunreinigten Niederschlagswassers in der Abwasseranlage von der Indirekteinleitergenehmigung umfasst ist (i.d.R.: nein).
Die Abdeckung ist im Übrigen nur dann vollständig, wenn sie den Rand der Rückhalteeinrichtung sowie die in die Rückhalteeinrichtung entwässernden Flächen um mindestens das 0,6-fache der lichten Höhe der Abdeckung überragt. Die lichte Höhe kann z. B. durch Wetterschürzen oder Wände verringert werden. § 19 Abs. 7 AwSV in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV in Verbindung mit DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.2 Abs. 9.
Eine nicht vollständige Überdachung erfordert eine Regenwasserrückhaltung am Standort gemäß KOSTRA-DWD-2020 Rasterfeld, z.B. Nr. 121175 (Beispiel für Umweltbundesamt in Dessau), mit 18,1 mm Starkniederschlagshöhe/m² (= 18,1/m², bei 66 m² ~ 1195 L Regenwasserrückhaltevolumen; Löschwasserrückhaltung ist hier nicht berücksichtigt und ggf. gesondert zu prüfen; bisher war die Löschwasserrückhaltung über das Rasterfeld möglich). gesondert zu prüfen; bisher war hier der „DWA-Normregen“ mit 50 l/m² anzunehmen) ca. bei einem 15-minütigen Starkniederschlag alle 5 Jahre (5a) gem. § 19 Abs. 7 AwSV i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.2 Abs. 8. Voraussetzung ist eine in einer Betriebsanweisung festzulegende ständige Überwachung und ordnungsgemäße kontrollierte Ableitung des anfallenden Niederschlagswassers in die betriebseigene Abwasseranlage (soweit in der Indirekteinleitergenehmigung enthalten) zur Behandlung innerhalb von 15 Minuten (sonst: 72h Betrachtungszeitraum mit 61,0 mm = 61,0 L/m² entsprechend 4026 l Regenrückhaltevolumen auf 66 m²). Da es sich um Werte aus dem Jahr 2020 handelt, sind neuere Starkregenereignisse aus dem Jahr 2024 (z.B. 85 L/m² in Nürnberg) noch nicht berücksichtigt. Es wird auf die verschuldensunabhängige Schadenersatzpflicht nach § 89f WHG hingewiesen, d.h. es wird empfohlen, eher größer zu planen (z.B. nach 30a statt 5a, also 27,5 L/m² bei 15 min Betrachtungszeitraum bzw. 92,5 L/m² bei 72 h Betrachtungszeitraum, ggf. aber auch mehr).
Das erforderliche Rückhaltevolumen beträgt somit bei Anwendung einer Totmannschaltung für die eigentlichen Chemikalien 100 l und bei Anwendung des 5a Betrachtungszeitraumes für das Niederschlagswasser mindestens 1195 l (mit Steuerung und Entlastungsmöglichkeit) bzw. 4026 l, insgesamt also 1295 l bzw. 4126 l.
Bei Anwendung des 30a Betrachtungszeitraumes – sofern dieser bei Starkniederschlägen überhaupt ausreichend ist – sind es dagegen 1815L bzw. 6105L (jeweils zuzüglich 100L für die eigentliche Befüllung unter Verwendung eines Totmannschalters).
dd. Ablauf mehrerer Füllleitungen in dieselbe Rückhalteeinrichtung
Gemäß § 18 Abs. 7 AwSV i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i. V. m. DWA-A 779:2023 Nr. 6.1.1 Abs. 2 ist eine gemeinsame Rückhalteeinrichtung für mehrere wassergefährdende Stoffe nicht möglich, soweit dadurch die Funktion der Rückhalteeinrichtung beeinträchtigt wird.
Im Außenbereich wäre hier gemäß § 17 Abs. 2 AwSV i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 779:2023 Nr. 5.1.3 Abs. 1 bei direkter Sonneneinstrahlung und einer angenommenen Erwärmung auf bis zu ca. 101°C für PE schwarz bei 60°C Außentemperatur (gem. DWA-A 779:2023 Nr. 5.1.3 Abs. 2) sowie der größten zu erwartenden Verunreinigung eine gemeinsame Rückhalteeinrichtung für mehrere wassergefährdende Stoffe nicht möglich. 2) sowie der maximal zu erwartenden Temperaturentwicklung der entstehenden Reaktionswärme bei der Neutralisation von regelmäßig vorhandenen, industrietypischen Chemikalien, wie z.B. 38% H2SO4 und 50% NaOH, ist mit einer Temperaturerhöhung von ca. 50°C, d.h. insgesamt 151°C zu rechnen. Etwaige Beschichtungen bzw. Kunststoffe wären auf Temperaturbeständigkeit zu prüfen und ggf. auszuschließen bzw. es wären separate Auffangwannen, zumindest für H2SO4, erforderlich. Dies gilt auch für eventuelle WHG-Beschichtungen. WHG-Beton nach DAfStb-Richtlinie erfüllt diese Anforderung regelmäßig, vgl. auch § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 786.
ee. Bauliche Ausführung der Rückhalteeinrichtung
Hinsichtlich der Materialauswahl bei der Befüllung ist gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 786, 5.2 Abs. 2 regelmäßig mindestens die Beanspruchungsstufe „mittel“ zu wählen, da die Ausnahmen der Beanspruchungsstufe „gering“ nur in seltenen Fällen zutreffen. Hinsichtlich der baulichen Ausführung § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i.V.m. DWA-A 786, 6 ist weiterhin zwischen den verschiedenen Bereichen innerhalb der Rückhalteeinrichtung zu unterscheiden:
Diese werden unterteilt in:
- Abflussflächen § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV iVm DWA-A 786, 2.1.1 – kein Teil des Rückhaltevolumens
Anlagen zum Ableiten flüssiger wassergefährdender Stoffe über Gefälle (in der Regel ≥ 2 %). - Stauräume § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV i. V. m. DWA-A 786, 2.1.1 – Teil des Rückhaltevolumens
Anlagen zur zeitlich begrenzten Rückhaltung flüssiger wassergefährdender Stoffe (z.B. unterirdische Lagerbehälter, einwandig mit Auskleidung). - Tiefpunkt § 15 Abs. 1 Nr. 1 AwSV in Verbindung mit DWA-A 786, 2.1.1 – Teil des Rückhaltevolumens
Einrichtung, in der sich flüssige wassergefährdende Stoffe zuerst ansammeln (z.B. unterster Teil eines Pumpensumpfes, der als Pumpensumpf dient).
Je nach Fall sind verschiedene Bauarten möglich.