Audit Abwasseranlage (industrielle, chemisch-physikalische Abwasseranlage)
Eine chemisch physikalische Abwasseranlage zur Behandlung industriellen Abwassers ist im Betrieb in aller Regel der Produktion nachgeordnet. Ihr Zweck ist das stetige Erreichen der regulatorischen Vorgaben bei der Einleitung des behandelten Prozesswassers als Abwasser. Die dort enthaltenen Produktionsstoffe, z.B. Säuren und Laugen, aber auch gelöste Stoffe aus dem Produktionsmaterial selbst sind im Abwasser enthalten und müssen neutralisiert bzw. entfernt werden. Dieser Abwasserbehandlungsprozess hat in aller Regel im Zeitpunkt der Erstauslegung bzw. Erstinbetriebnahme gut funktioniert, ein Audit Abwasseranlage klärt ob dies immer noch der Fall ist.
Über die Jahre hinweg gibt es jedoch viele unvermeidbare Faktoren, die die Funktionsfähigkeit einer chemisch-physikalischen Abwasseranlage verändern können. Dazu zählt z.B.
- Verrentung bzw. Weggang von Mitarbeitern, die die Abwasseranlage teils über Jahrzehnte betreut haben.
- Die Dokumentation bzw. Bedienungsanleitung der Anlage bzw. eines Teils der Anlage wie bei einem Selektivionenaustauscher oder einer sonstigen Ionenaustauscheranlage (wie z.B. auch eine VE-Anlage oder Ionenaustauscherkreislaufanlage) ist nicht mehr auffindbar.
- Die Anlage verfällt zunehmend.
- Änderung des Produktionsverfahrens (z.B. CrVI Verfahren werden gegen CrIII Verfahren ersetzt).
- Neue Produktionsanlagen kommen hinzu.
- Der Betrieb ist gewachsen und unterfällt nunmehr der IE-Richtlinie 2010/75/EU und es gelten damit neue Vorgaben, insbesondere ist unklar, ob die Anlage noch dem Stand der Technik entspricht.
- Änderung der Formulierung eines einzelnen Betriebsstoffs durch den Lieferanten
- Neue gesetzliche Vorgaben an die das Abwasser angepasst werden muß
- Unerklärliche Grenzwertüberschreitungen, bzw. sonstige Störungen der Abwasseranlage, die ggf. bereits von den Behörden angemahnt wurden.
- Die Indirekteinleitererlaubnis läuft aus.
Es kann daher sinnvoll sein in diesen Fällen ein externes Audit Abwasseranlage zu beauftragen um sich Klarheit über die aktuelle Situation zu verschaffen und ggf. unmittelbar Maßnahmen treffen zu können.
Je nach Einzelfall kann im Rahmen des Audit Abwasseranlage geklärt werden:
- Genehmigungslage
- Ist die Anlage (und die ggf. zulaufenden Prozesswasserströme) in dieser Form ausreichend von der vorhandenen Genehmigung umfasst?
- Benötigt die Genehmigung eine Anpassung im Form einer Anzeige oder Änderung bzw. eine Neugenehmigung?
- ggf. ist eine „Nachgenehmigung“ erforderlich.
- Chemisch-physikalische Verfahren
- Ist die Anlage hinsichtlich ihres Verfahrens bei ordnungsgemäßen Betrieb noch in der Lage die erforderlichen Abwasser Grenzwerte zu erreichen?
- Gibt es neue oder bessere oder kostengünstigere Verfahren?
- Lässt sich Behandlungschemie ggf. substituieren bzw. ersetzen?
- ggf. erfolgen in einer Laborphase Abwasserbehandlungsversuche.
- Stand der Technik bzw. allgemein anerkannten Regeln der Technik
- Entspricht die Anlage in Ihrem Aufbau noch dem Stand der Technik bzw. sofern ausreichend, den allgemein anerkannten Regeln der Technik?
- Sind die Mechanismen der Ersatzteilbeschaffung und -bevorratung ausreichend?
- ggf. erfolgt eine Anpassung der Anlage.
- Dokumentation
- Entspricht die Dokumentation noch den aktuellen Anforderungen?
- ggf. ist eine neue Dokumentation erforderlich.
- Schulungsstand der Mitarbeiter
- Sind die Mitarbeiter ausreichend im Umgang der Anlage, mit den Gefahrstoffen, den chemischen Verfahren und im Umweltrecht geschult?
- ggf. erfolgt eine Nachschulung der Mitarbeiter.
Beispiel Audit Abwasseranlage (Auszug):
Die Abwasseranlage (Durchlaufanlage) ist inzwischen 40 Jahre alt und besteht aus mehreren Komponenten aus Stahl und diversen Kunststofftanks.
Da UV-Einstrahlung in den Raum besteht, sollen jedenfalls die PP Kunststofftanks + PVC Rohrleitungen aufgrund von Materialermüdung durch Versprödung und auch die Steuerung aufgrund Alter/Nicht mehr Stand der Technik ausgetauscht werden.
Die Abwassermenge liegt durchschnittlich bei 35 m³/Tag, an Spitzentagen jedoch bis zu 100 m³/Tag (= 4,1 m³/h max. beim 4 Schichtbetrieb.
Die Bemessungsparameter eine Durchlaufanlage dieser Art lauten:
- Reaktionszeiten in den Behandlungstanks:
30 Minuten bei Fällung und Flockung mit Natronlauge - Rührer-Auswahl im Behandlungstank:
Ein Getriebemischer von ca. 80 W/m³ oder
es sollte der Tankinhalt 2 x pro Minute umgewälzt werden. - Reaktionszeit des Flockungstanks:
30 Minuten. - Reaktionszeit im Absetzbehälter (Schlamm-Klarwasser):
45-60 Minuten. - Filterpressung:
Kontinuierliche automatische Entleerung bzw. Entleerung einmal pro Schicht. - Filterpressenpumpe:
Mindestens 12 x größer als das Filtervolumen der Presse. - Mehrschichtfilter:
geschlossene Bauart mit einer Filtergeschwindigkeit kleiner als 10 m/h.
Der „2 m³ Behandlungsbehälter“ verfügt aufgrund von Einbauten und Rührwerk nur über ein Volumen von 1,6 m³ und ist damit zu klein ausgelegt und sollte in einer Neukonzeption auf tatsächliche 2 m³, besser 4 m³, vergrößert werden. Etwaige Überwachungswertüberschreitungen werden maßgeblich auf die zu geringe Kontaktzeit
Die beiden Vorlagetanks für das Abwasser sind je 15 m³ groß. Die Erfahrung zeigt, dass in den Tanks keine sonderlich gute Durchmischung stattfindet, d.h. es kommen auch immer wieder einmal stark saure und stark basische Anteile, ein Rührwerk wäre daher von Vorteil. Dies würde vorab zu einer Homogenisierung des pH Wertes führen und den eigentlichen Behandlungsbehälter entlasten. Nachteilig wäre aber dass ggf. bereits Ausfällungen entstehen. Das könnte man jedoch mit einem Schrägboden zur ggf. vollständigen Entleerung oder zumindest zum Hydroxidaustrag nutzen. Es bräuchte dann jedoch eine Membranpumpe zum Transport, da sich die vorhandenen Kreiselpumpen sich schnell zusetzen würden.
Typischerweise wird als chemikaliensparende Maßnahme eine Trennung von sauer und alkalischen Abwässern zur wechselseitigen Neutralisation behördenseitig gefordert. Da das alkalische Abwasser nach Angabe jedoch nur sehr gering und auch nur zeitweise anfällt, kann darauf mit dieser Begründung verzichtet werden.
Die „Ansetzstationen“ für weitere Chemie (FeCl3 (Anlieferung flüssig) + Zetag 8180 Flockungsmittel (Anlieferform: fest)) haben erhebliche Gebrauchsspuren und sollten erneuert werden. Dabei ist die AwSV konforme Ausführung zu beachten, da es sich um AwSV Lagerbehälter handelt: für Zetag 8180 ein PP Ansetzbehälter mit Schrägboden wie bislang, der vollständig in einen neuen PE Lagerbehälter mit Wanne und DiBt-Zulassung überführt wird. Der FeCl3 Tank müsste ebenfalls als PE Lagerbehälter mit Wanne und DiBt-Zulassung ausgeführt werden, Betankung wie bislang von der WHG Wanne mit der Chemiepumpe. Die Wanne am FeCl3 Tank ist im Übrigen zu klein, § 18 Abs. 1, 3 Nr. 1 AwSV.
Anmerkung:
Es war früher möglich auch einfache PP Behälter zum Ansetzen ohne Zulassung zu verwenden, wenn diese nur eine einzige Abnahme haben. In neuen Anlagen werden diese Möglichkeiten jedoch von den AwSV Sachverständigen regelmäßig nicht mehr zugelassen, sondern wie ausgeführt konforme AwSV Lagerbehälter gefordert. Ausgenommen sind echte Dosierbehälter, d.h. wenn der komplette Behälterinhalt in einer Schicht / 24h entleert wird. Möglich ist auch, dass diese eine frühere VaWS SV Einzelabnahme hatten, es ist jedoch nichts an den Behältern vermerkt und auch sonst keine Dokumentation vorhanden.
Der Schrägklärer ist aus Stahl kann und soll so beibehalten werden. Die Kammerfilterpresse ist noch eine offene Kammerfilterpresse und könnte entweder als geschlossene (kein Spritzen, keine Geruchsbildung mehr, Säurespülung der Platten innerhalb der Presse möglich) oder als geschlossene mit automatischer Entleerung ausgeführt werden. Hier wäre der Einsatz einer FU Pumpe sinnvoll und würde die Anforderung des § 3 Abs. 2a AbwV erfüllen.
Die kleinen 100L Chemiedosiertanks auf dem Behandlungsbehälter sollen ohnehin entfallen, sie wären jedoch zulässig.
Der Mehrschichtfilter ist ein PE-GFK Behälter, dieser könnte auch als Stahlfilter mit PA Innenbeschichtung ausgeführt werden. Der Hintergrund ist, dass in den Filter auch eine Schicht Hydroanthrazit eingefüllt werden müsste, die man immer wieder nachfüllen müsste, weil sie sich sehr leicht ausspülen lässt. Dazu muss man den Behälter jedoch häufig öffnen. Dies ist bei den PE-GfK Behältern jedoch nur schwierig möglich, weil das Gewinde schnell verschleißt. Bei der Beschickungspumpe des Mehrschichtfilters wäre im Übrigen auch eine FU-Pumpe sinnvoll um die Anforderungen des § 3 Abs. 2a AbwV zu erfüllen.
Ein Selektivaustauscher ist derzeit nicht vorhanden, kann aber ggf. durch die Behörde vorgesehen werden. Es gibt jedoch chemische Parameter, die dagegensprechen: es ist Mangan im Abwasser enthalten, dass im bereits leicht neutral-alkalischen (ab pH 6,5) zu Mangan IV (Braunstein) oxidiert. Dieser bildet mit HCl im Rahmen der Regeneration des Selektivaustauschers Chlorgas. Der Selektivaustauscher wäre daher aus Arbeitsschutzgründen unzulässig.
Kommen Sie bei Fragen gerne auf uns zu.