Ionenaustauscher Selektivität

Die Ionenaustauscher Selektivität bzw. die Selektivitätsreihe beschreibt die Affinität der Bindung diverser Ionen an einen Ionenaustauscher. Bei einem Ionenaustauscher handelt es sich nicht um einen Filter, der sich wahllos mit den ankommenden Ionen selbst kontaminiert, sondern um eine „automatische Sortiermaschine“ für Ionen in der Reihenfolge der Selektivität.

Für das Verständnis eines Ionenaustauschers ist zunächst die Vorbeladung eines Ionenaustauschers wichtig. Diese kann nicht „0“ sein wie bei einem Filter, der möglichst wenig abgeben soll, sondern entspricht stets der Vorbeladung des Ionenaustauschers. Diese kann z.B. sein: H+, Na+, Ca+, K+ oder die NH4-Form, für die Anionenaustauscher die OH (bzw. richtigerweise freie Base beim schwach basischen Anionenaustauscher) oder Cl Form oder bei schwachbasischen Austauschern zusätzlich die NH3 oder die protonierte Ammoniumform. Im einfachsten Fall, der Vollentsalzung über einen Mischbett Ionenaustauscher in einer Vollentsalzungspatrone, ist der stark saure Kationenaustauscher im Ursprungszustand in der H+ Form und der stark basische Anionenaustauscher im Ursprungszustand in der OH Form. In dieser Form ist das Harz im passenden pH Bereich dazu bereits in der Lage, diese Vorbeladung gegen einen anderen Ladungsträger im Rahmen von chemischen Gleichgewichtsreaktionen mit der funktionellen Gruppe des jeweiligen Ionenaustauschers auszutauschen. Je weiter links in der Reihe ein Stoff steht, desto affiner ist der Ionenaustauscher für eine Bindung, wenn die weiteren Rahmenparameter (pH-Wert, Temperatur..) passen:

Die Selektivitätsreihe für stark saure Kationenaustauscher (Sulfonsäureaustauscher) SAC lautet:

Al3+ > Cr3+ > Fe3+ > Ba2+ > Pb2+ > Ca2+ > Ni2+ > Mg2+ > K+ > NH4+ > Na+ > H+

Die Selektivitätsreihe für schwach basische Anionenaustauscher (Tertiärer Aminaustauscher) WBA lautet:

OH >> SO42- > HSO4 > I> NO3 > Br > Cl > F

Die Selektivitätsreihe für stark basische Anionenaustauscher (quartärer Aminaustauscher) SBA lautet für Anionen

(ohne Anionenkomplexe):

SO42- > HSO4 > I > NO3 > Br > Cl > HCO3 > HSiO3 > F > OH

(mit cyanidischen Anionenkomplexen)

Co2+ > Hg2+ > Fe2+ > Cu2+ > Ni2+ > Ag+ > Au+ > Cd2+

Die Selektivitätsreihe für schwach saure Kationenaustauscher (Iminodiessigsäureaustauscher, IDE-Austauscher) WAC lautet:

Fe3+ > Cu2+ > TiO2+ > VO5+ > UO2+ > VO2+ > Hg2+ > Pb2+ > Sc3+ > Ni2+ > Zn2+ > Co2+ > Cd2+ > Fe2+ > Be2+ > Al3+ > Mn2+ > Ca2+ > Mg2+ > Sr2+ > Ba2+ > Na+ > K+ > Cs+

Die Selektivitätsreihe für Spezialaustauscher wie die Thioharnstoffaustauscher lautet:

Hg2+ > Ag+ > Au+/3+ > Pt2+/4+ > Cu2+ > Pb2+/4+ > Bi2+ > Sn2+ > Zn2+ > Cd2+ > Ni2+

Mit der einmaligen Bindung ist der Prozess jedoch nicht abgeschlossen. Es erfolgt bei der weiteren Beladung des Harzbettes, also bei den nächsten Litern kontaminiertes Wasser, wieder eine Bindung in Konkurrenz zu der bereits eingegangenen Bindung. D.h. wenn nun ein zulaufendes höherselektives Ion Cu2+ an einem bereits gebundenen niederselektiven Ion Ca2+ vorbeigeführt wird, verdrängt das höherselektive Ion Cu2+ das niederselektive Ca2+ und geht die Bindung ein. Das niederselektive wird verdrängt und geht ggf. eine weitere Bindung gegen noch niederselektiveres H+ Ion ein. Dadurch entsteht der Effekt, dass sich die höchst selektiven Ionen beim Durchströmen der Ionenaustauscher Patrone im oberen Bereich des Ionenaustauscher Harzbetts anreichern, die mittel selektiven Ionen im mittleren Bereich des Ionenaustauscher Harzbetts und die niederselektiven Ionen im unteren Bereich des Ionenaustauscher Harzbettes.

Im Beispielbild wird eine Lösung angesetzt mit den Inhaltsstoffen Cu2+ Ni2+ Pb2+

Anschließend wird der Ionenaustauscher damit beladen und es bilden sich bis zum ersten Durchbruch (aufgrund des pH-Werts in diesem Fall Pb anstatt Ni) die verschiedenen Zonen in einem Ionenaustauscher.

Wenn nun die Kapazität im Ionenaustauscher Harzbett komplett ausgeschöpft ist, stoppt die Bindung nicht einfach, sondern es wird entsprechend der Selektivitätsreihe weiter gebunden. Das bedeutet konkret, dass der obere Bereich der höchst selektiven Ionen weiter anwächst, der Bereich der mittel selektiven Ionen teils nach unten verdrängt wird und dennoch weiter wächst und der Bereich der niedrig selektiven Ionen wird noch weiter nach unten im Ionenaustauscher Harzbett verdrängt und würde auch gerne weiter wachsen – kann dies jedoch aufgrund der mangelnden Kapazität nicht. Es werden in der Konsequenz ausschließlich und überproportional viele der niedrig selektiven Ionen entsprechend der Selektivitätsreihe abgegeben, der erschöpfte Ionenaustauscher ist damit überfahren. Beim Mischbett-Ionenaustauscher bei einem Mischbett-Polisher bzw. bei einer Vollentsalzungspatrone bzw. VE-Patrone handelt es sich dabei in der Regel um unerwünschte Ablagerungen bildende Silikate, gelöste Gase oder korrosive Chloride. Im Beispielsbild würde das bedeuten, die Beladung erfolgt solange, bis das Ni und Pb vollständig vom Cu verdrängt wird, das Harz also komplett blau ist). Erst in diesem Zustand entspricht der Zulauf dem Ablauf und der Ionenaustauscher ist komplett inaktiv. Um den Ionenaustauscher wieder in den funktionsfähigen Zustand zu überführen, ist eine Ionenaustauscher regeneration erforderlich.

Es empfiehlt sich daher häufig eine Anlagenauslegung von 2 Ionenaustauscher Patronen in Reihe, wobei die Kapazitätserschöpfung des ersten als Tauschkriterium festgelegt wird, z.B. per Leitwert in µS/cm oder per Analytik.

Typische Grenzen des Leitwerts für den Tausch der ersten Ionenaustauscher Patrone sind:

  • Halbleiter < 0,1 µS/cm
  • Hartverchromung < 3 µS/cm
  • Galvanik < 20 µS/cm
  • Eloxal < 30 µS/cm
  • Feuerverzinkung < 50 µS/cm
  • Staplerwasser bzw. Batteriewasser beim Einfüllen: < 30 µS/cm

Sofern der Leitwert einer Ionenaustauscher Patrone als Kriterium herangezogen wird, bleibt dieser in aller Regel zunächst über lange Zeit stabil bis er gegen Ende der Laufzeit exponentiell ansteigt. Es ist daher sinnvoll beim ersten Anzeichen des Anstiegs einen Tausch durchzuführen, da in diesem Zeitpunkt bereits mit einem Durchbruch auf den Folgeaustauscher zu rechnen ist (speziell gelöste Gase und nicht im Leitwert sichtbare Silikate/Kieselsäure).